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Verurteilen statt Diskutieren? Was Dr. Klapproth (IDA) Prof. Drosten in Heidelberg fragte

Am 26. September hielt Prof. Christian Drosten auf Einladung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften einen Vortrag mit dem Titel „Gentechnische Forschung an Krankheitserregern nach COVID-19“. Nach dem Vortrag kam es zu einem Moment, der für viele Zuschauer besonders interessant war – leider genau dann wurde der Livestream unterbrochen. Dr. Kay Klapproth von IDA hatte sich gerade vorgestellt und wollte Prof. Drosten eine Frage stellen.

Seitdem haben uns zahlreiche Anfragen erreicht: Was wollte Klapproth fragen – und wie hat Drosten geantwortet? Dank des Kanals „Dauerwelle Demo Report“, der uns freundlicherweise einen Mitschnitt der Veranstaltung zur Verfügung gestellt hat, können wir die Szene nun vollständig zeigen. Die Frage drehte sich um die Sicherheitsstandards in deutschen und chinesischen Laboren – und insbesondere um die Wortwahl, die Prof. Drosten im Jahr 2020 gewählt hatte, als er öffentlich dazu aufrief, diejenigen zu verurteilen, die einen nicht-natürlichen Ursprung des SARS-CoV-2-Virus auch nur in Betracht zogen oder darüber sprechen wollten.

Frage (Dr. Klapproth):

Mein Name ist Dr. Klapproth, ich bin selber vom Fach und habe auch lange als Sicherheitsbeauftragter gearbeitet. Ich kann bestätigen: Die Regularien und Sicherheitsstandards in deutschen Laboren, gerade wenn es um S2, S3, S4 geht, sind extrem gut. Für uns Projektleiter ist es extrem schwierig, dem überhaupt gerecht zu werden – viele werden dem auch nicht gerecht, muss man auch sagen. Und wir wissen natürlich auch – das wissen Sie wahrscheinlich auch – dass es in anderen Ländern nicht so ist. Wenn wir zum Beispiel nach China schauen, sind die Sicherheitsstandards andere. Das mag ein Grund sein, warum viele Forschungsprojekte und Kollaborationen nach China gehen. Das ist jetzt spekulativ.

Es geht um Diskussionen und ich stimme Ihnen zu: Wir brauchen eine offene Debatte, es ist eine gesellschaftliche und ethische Diskussion. Das heißt aber auch, dass wir alle Möglichkeiten offen diskutieren müssen. Und ich möchte Sie gern zitieren, denn das hat mich als Wissenschaftler sehr irritiert: Als Sie 2020 zusammen mit Peter Daszak und anderen geschrieben haben: „Wir stehen gemeinsam dafür ein, Verschwörungstheorien, die behaupten, dass COVID-19 keinen natürlichen Ursprung hat, entschieden zu verurteilen.“

Also: „entschieden zu verurteilen“. Damit wurde verurteilt. Jeder, der diese sogenannte Verschwörungstheorie auch nur erwähnt hat, wurde verurteilt. Wie sehen Sie das? – Ich komme zum Schluss – ich möchte nur Ihre Einschätzung dazu haben. Mich als Wissenschaftler hat dieses „verurteilen“ gestört. Denn in einer offenen Debatte kann man andere Ansichten nicht verurteilen, sondern muss sie diskutieren – auch für die Allgemeinheit, damit man weiß, wo die Risiken liegen und niemandem etwas vormacht. Wenn man verurteilt, grenzt man Menschen aus. Danke schön.

Antwort (Drosten):

Ja, Ihr Einwand ist sehr … Sie können sich vorstellen, dass dieser Ausdruck inzwischen fast schon klassisch geworden ist. Aber man muss den gesamten Zusammenhang der damaligen Zeit und dieses Schriftstücks verstehen, das wir damals als Gruppe von Wissenschaftlern verfasst haben.

Das, was Sie zitieren, ist nur ein Aspekt, ein kleiner Aspekt. Der Anlass war vor allem, dass in den USA – aber auch bei uns – einzelne Wissenschaftlerinnen, insbesondere eine Kollegin in China, massiv beschuldigt wurden. Diese Personen kamen ins Rampenlicht, und ohne jeden Beleg wurden persönliche Beschuldigungen ausgesprochen.

Wenn Sie das Papier lesen, sehen Sie: Es ist in erster Linie eine Solidaritätsbekundung mit diesen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen, aber auch mit den klinisch tätigen Ärzten zu dieser Zeit. Das wurde Anfang Februar 2020 veröffentlicht, als in Wuhan gerade die allerschärfste Situation war – und gleichzeitig in der Öffentlichkeit persönliche Vorwürfe erhoben wurden, die nicht belegt waren.

Der größte Teil des Stellungnahmepapiers sagt, dass es viele Präzedenzfälle gibt, in denen Pandemien in der Natur ihren Ursprung hatten. Da werden viele Beispiele genannt.

Was Sie nun sagen ist, dass Personen, die es anders gesehen haben – also die gesagt haben, dieses Virus könnte auch aus dem Labor stammen –, „verurteilt“ worden seien, weil sie damit dem Artikel in The Lancet widersprochen haben. Nun ist es aber so, dass wir ja in einer freien Gesellschaft leben. Ein Beitrag einer Gruppe von Wissenschaftlern stellt kein absolutes Urteil dar und kann eine Diskussion nicht unterbinden.

Auf welcher Ebene eine „Verurteilung“ stattgefunden haben soll, müsste man mir belegen – wenn dabei mit fairen Methoden der Diskussion agiert wurde. Natürlich gab es in dieser Zeit einen aggressiven Diskussionsstil, der zurecht kritisiert wurde, von beiden Seiten des Meinungsspektrums. Wir standen mit diesem Artikel erkennbar auf einer Seite. Aber der Zweck war in erster Linie, persönliche Verurteilungen und Schuldzuweisungen zu unterbinden und Argumente für die laufende Diskussion zu liefern.

Und zum Begriff „Verschwörungstheorie“: An diesem Begriff hat sich sehr viel aufgehängt. Aber er war damals ein weit verbreiteter Begriff, den die Washington Post, die New York Times und andere Medien genauso verwendet haben, wenn es darum ging, dass einige wenige Politiker in den USA scheinbare Gewissheiten über einen Laborursprung verbreitet haben – ohne Belege. Das war der Kontext, in dem dieses Papier entstanden ist.

Danke an DauerwelleDemoReport    • Dr. Drosten – Akademievorlesung: Gentechni…  

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