Das Gesundheitsamt des Rhein-Neckar-Kreises und der Verein „Impf-Dich“ organisieren gemeinsam mit der Universitätsklinik Heidelberg ein Projekt zur Impfaufklärung für Siebtklässler. In zwei Unterrichtsstunden sollen die Schüler über für sie relevante Impfungen informiert werden. Das erklärte Ziel des Projekts sei es, die Impfquoten bei Schulkindern, insbesondere bei der HPV-Impfung, zu erhöhen.
Im Rahmen der „Evaluation einer Impfaufklärung zur Erreichung einer höheren HPV-Impfquote“ sollen Mitglieder des Gesundheitsamts und des Vereins „Impf-Dich – Impfaufklärung in Deutschland e.V.“ die Schüler offenbar dazu bewegen, sich impfen zu lassen. Dabei werden mittels Fragebögen und durch Einsicht in die Impfpässe der Impfstatus, das Wissen und die Einstellung der teilnehmenden Schüler zu Impfungen erfasst. Eine zweite Kontrolle der Impfpässe soll klären, ob die Schüler tatsächlich zur Impfung gegangen sind.
Wir haben dem Gesundheitsamt und den beteiligten Kooperationspartnern unsere Bedenken sowie eine Reihe von Fragen zum geplanten Vorgehen übermittelt. Leider verweigern sowohl das Gesundheitsamt als auch die Organisatoren des Projekts die Klärung offener Fragen und lehnen unser Angebot zu einem inhaltlichen Austausch ab. Stattdessen erklärte das Gesundheitsamt, dass es aus unserer öffentlich geäußerten Kritik den Schluss ziehe, IDA sei nicht an einem konstruktiven und wissenschaftlich orientierten Diskurs interessiert.
Bemerkenswert ist die Behauptung des Gesundheitsamts, unsere öffentliche Berichterstattung über das Projekt könne möglicherweise als Angriff auf die in Artikel 5 Absatz 3 Satz 1 des Grundgesetzes verbriefte Wissenschaftsfreiheit gewertet werden. Selbst juristisch ungeschulten Laien dürfte die Absurdität dieses Vorwurfs auffallen. Diese Argumentation scheint allein dazu zu dienen, sich unserer Forderung nach verantwortungsvoller und transparenter Kommunikation zu entziehen.
Wissenschaftsfreiheit
Ist Kritik am Vorgehen des Gesundheitsamtes verfassungswidrig? IDA-Stadtrat Dr. Gunter Frank griff im Heidelberger Stadtblatt das Thema „Impfpasskontrolle an Schulen“ auf. Die Verantwortlichen des Gesundheitsamtes sehen in unserer Berichterstattung über ihr Projekt eine „medienwirksame Pauschalablehnung“ ihrer Studie, die möglicherweise „die in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes garantierte Wissenschaftsfreiheit tangiert„
Da sich die Verantwortlichen des Gesundheitsamtes, der Universität Heidelberg und des Vereins „Impf Dich“ einer sachlichen und inhaltlichen Diskussion über ihr Projekt an öffentlichen Schulen verweigern und gleichzeitig an ihrem Vorhaben festhalten, 13- und 14-jährige Kinder gezielt zu beeinflussen, haben wir uns direkt an die Schulleitungen gewandt. In einem offenen Brief erläutern wir unsere Bedenken gegen das geplante Projekt. Wir fordern die Schulleitungen auf, für die notwendige Transparenz über die Inhalte der Impfaufklärung zu sorgen, damit die Eltern eine informierte Entscheidung über die Teilnahme ihrer Kinder treffen können.
Eine Beteiligung des Vereins „Impf Dich“ lehnen wir jedoch grundsätzlich ab, da aufgrund der Außendarstellung des Vereins eine sachlich korrekte und objektive Impfaufklärung nicht zu erwarten ist.
Den Brief stellen wir hier als PDF zum Download bereit. Wir laden Sie ein, ihn mit Eltern, Lehrern und weiteren Interessierten zu teilen.
Offener Brief an alle Schulleitungen und Elternvertretungen
Betreff: Kritische Stellungnahme zur geplanten Unterrichtsaktion des Gesundheitsamts und des Vereins „Impf Dich“
Sehr geehrte Damen und Herren,
als Vertreter der Initiative für Demokratie und Aufklärung (IDA) e.V. setzen wir uns für die Interessen von Schülern und Eltern sowie für eine sachliche und neutrale Gesundheitsaufklärung ein. Wir möchten Sie über eine geplante Aktion informieren, die an den Schulen in Heidelberg durchgeführt werden soll. Nach unserer Einschätzung besteht dringender Handlungsbedarf seitens der Schulen, um die notwendige Transparenz dieser Aktion sicherzustellen. Es muss gewährleistet werden, dass die Gesundheit der Kinder im Mittelpunkt steht und das Mitspracherecht der Eltern nicht umgangen wird.
Die Aktion „Evaluation einer Impfaufklärung zur Erreichung einer höheren HPV-Impfquote bei Schulkindern“ wird vom Gesundheitsamt in Zusammenarbeit mit dem Verein „Impf Dich“ organisiert und umfasst einen speziellen Unterricht für Schüler der siebten Klassen. Ziel der Aktion ist es, die Schüler über die aktuellen Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) zu informieren, wobei ein besonderer Schwerpunkt auf der Bewerbung der HPV-Impfung liegt1.
Im Rahmen der Veranstaltung sollen die Schüler ihre Impfpässe mitbringen, die während des Unterrichts kontrolliert werden. Diese Maßnahme ist Teil eines Forschungsprojekts, das ausdrücklich darauf abzielt, zu untersuchen, ob die Unterrichtsinhalte dazu beitragen, die Impfquoten – insbesondere für HPV-Impfungen – zu steigern. Zu diesem Zweck ist eine zweite Impfpasskontrolle vorgesehen, um zu überprüfen, ob die Unterrichtseinheiten das gewünschte Ergebnis, nämlich eine Erhöhung der Impfquote, erzielt haben.
Verstoß gegen Beutelsbacher Konsens
Wir haben ernsthafte Bedenken, dass diese Aktion gegen den Beutelsbacher Konsens2 verstößt, die Interessen der Schüler in den Hintergrund rückt, das Mitbestimmungsrecht der Eltern in Gesundheitsfragen gezielt umgeht und dabei potenzielle gesundheitliche Risiken für die Kinder in Kauf genommen werden3.
Wir haben dem Gesundheitsamt, dem Verein „Impf Dich“ und den beteiligten Kooperationspartnern eine Reihe von Fragen gestellt und um die Veröffentlichung der geplanten Unterrichtsinhalte gebeten. Außerdem haben wir gefordert, im Vorfeld Informationsveranstaltungen für Eltern anzubieten. Die Einwilligung zur Teilnahme an der „freiwilligen“ Veranstaltung setzt eine umfassende Information der Eltern voraus. Es ist für uns befremdlich, dass weder das Gesundheitsamt noch die beteiligten Kooperationspartner dazu bereit sind.
Unser Gesprächsangebot an alle beteiligten Institutionen wurde abgelehnt, und das Gesundheitsamt weigert sich, stellvertretend für alle Kooperationspartner wichtige offene Fragen zur geplanten Aktion zu beantworten. Wir sind über dieses Verhalten und die fehlende Transparenz äußerst besorgt.
Insbesondere im Hinblick auf die HPV-Impfung gibt es eine anhaltende Debatte unter Wissenschaftlern und Medizinern, da wesentliche Fragen zur Wirksamkeit und Sicherheit noch immer unbeantwortet sind. Nach Einschätzung von internationalen Experten und Wissenschaftlern verschiedener deutscher Forschungseinrichtungen sei die Wirksamkeit und Sicherheit dieser Impfung nicht angemessen geprüft worden4 5 6.
Der Verein „Impf Dich“
Der Verein „Impf Dich“ hat nach eigenen Angaben das Ziel, die Impfquoten zu steigern7. Der Verein arbeitet intensiv mit Prof. Dr. Cornelia Betsch zusammen, die mit ihrer Arbeit Akzeptanz von Impfungen mit psychologischen Mitteln wie Nudging zu steigern versucht8. Wir haben begründete Bedenken, dass der Verein während der Unterrichtseinheiten an Schulen gegen das Überwältigungsverbot verstoßen wird und das Kontroversitätsgebot in Bezug auf das Thema Impfung nicht beachtet. Das Auftreten des Vereins in der Öffentlichkeit sowie einzelne Aussagen seiner Vertreter lassen für uns keinen anderen Schluss zu.
Der Gründer des Vereins, Steffen Künzel, betont: „Impfen ist eine soziale Verantwortung – junge Leute sollten sich dieser Verantwortung bewusst werden.“9 Diese Aussage ist jedoch schlicht falsch, da durch die meisten Impfungen weder Fremdschutz noch Herdenimmunität zuverlässig herbeigeführt werden können10. Die Betonung einer „sozialen Verantwortung“ gegenüber Kindern, die über die Studienlage und medizinische Evidenz nicht ausreichend informiert sind, stellt nicht nur eine unzulässige Beeinflussung dar, sie lässt auch befürchten, dass die Kinder nicht korrekt über die differenzierten Wirksamkeiten verschiedener Impfungen informiert werden sollen. Offenbar soll über sozialen Druck auf Kinder, ihre Bereitschaft, sich impfen zu lassen erhöht werden.
Besorgniserregend sind auch Äußerungen des Vereinsvorsitzenden Simon Hennes, der in einem Interview erklärte, der Verein „Impf Dich“ wende sich bewusst an Kinder, da deren „Meinungen zum Thema Impfungen noch nicht so verfestigt sind, dass sie uns aktiv kritisieren würden oder Impfungen aktiv kritisieren.“11 In demselben Interview erläuterte er zudem, dass Erfolge auch bei Jugendlichen aus impfkritischen Haushalten erzielt würden und erklärte: „Zum Teil kommen sie dann auch aktiv auf uns zu und fragen: ‚Wie kann ich mich impfen lassen, auch wenn meine Mutter dagegen ist?‘“ Weiter führte er aus: „Ärzte können Minderjährige auch gegen den Willen ihrer Eltern impfen. Das ist genau das, was wir wollen: dass junge Menschen zu einer guten Entscheidung finden.“
Diese Aussagen wecken bei uns erhebliche Zweifel an der Haltung und Motivation des Vereins „Impf Dich“. Es ist zu befürchten, dass es dem Verein darum geht, durch eine einseitige Darstellung der Impfthematik Kinder, die nicht in der Lage sind, kritisch zu hinterfragen, in ihrer Entscheidung zu beeinflussen. Daher ist eine Beteiligung dieses Vereins an Unterrichtseinheiten für die 7. Klasse strikt abzulehnen.
Neutrale und evidenzbasierte Aufklärung
IDA spricht sich nicht grundsätzlich gegen Impfungen oder Informationsveranstaltungen für Schüler aus. Wir fordern jedoch eine neutrale und evidenzbasierte Aufklärung, die die Unterschiede zwischen verschiedenen Impfungen nicht ignoriert und alle offenen Fragen zur Wirksamkeit und Sicherheit sowie mögliche Schäden miteinschließt. Die Impfquoten in Deutschland, insbesondere in Bezug auf HPV-Impfungen, sind derzeit rückläufig. Dies ist auch dem Umstand geschuldet, dass viele Behauptungen über die Wirksamkeit von Impfungen, Fremdschutz oder Herdenimmunität in den letzten Jahren widerlegt wurden.
Die vom Gesundheitsamt und dem Verein „Impf Dich“ geplante Aktion muss vor dem Hintergrund einer Entscheidung der EU-Kommission bewertet werden, die darauf abzielt, die HPV-Impfquoten in Europa deutlich zu erhöhen12. Wir sind jedoch der Ansicht, dass Schulen nicht der Ort sein dürfen, an dem politische Agenden umgesetzt werden, indem man Kinder beeinflusst.
Wir halten es für fraglich, ob mit dem geplanten Projekt 13- und 14-jährige Schülerinnen und Schüler – ohne ausreichende medizinische und biologische Kenntnisse – sachgerecht und neutral an das komplexe Thema Impfen herangeführt werden sollen. Wir befürchten stattdessen, dass durch die Unterrichtseinheiten sozialer Druck auf die Schüler ausgeübt werden könnte. Eine Beeinflussung von Kindern, die nicht über das nötige Wissen verfügen, um die Thematik richtig einordnen zu können, halten wir auch aus ethischen Gründen für falsch. Das erklärte Ziel der Studie, zu testen, ob der Schulunterricht zu einer höheren Impfrate führt, sehen wir grundsätzlich als problematisch an.
Wir fordern Sie daher auf, die Aktion des Gesundheitsamts und des Vereins „Impf Dich“ an Ihrer Schule nicht in der geplanten Form durchzuführen. Bei der Impfung von Kindern handelt es sich um medizinische Interventionen mit langfristigen Folgen. Wir erwarten, dass die Eltern im Vorfeld umfassend einbezogen werden – auch durch Informationsmaterialien über die Unterrichtsinhalte und durch Veranstaltungen, in denen das Gesundheitsamt und der Verein „Impf Dich“ den Fragen der Eltern Rede und Antwort stehen müssen. Wir fordern eine transparente und offene Kommunikation seitens der Schulleitung, des Gesundheitsamts und aller beteiligten Kooperationspartner.
Es ist äußerst wichtig, dass die Schulleitungen dem Eindruck entgegenwirken, eine Beeinflussung der Kinder durch externe Akteure mit unklarer Zielsetzung sei an ihrer Schule möglich. Das zu verhindern liegt im Verantwortungsbereich von engagierten Eltern, Lehrern und der Schulleitung.
IDA ist gut vernetzt mit Medizinern und Wissenschaftlern, die bereit wären, sich an Informationsveranstaltungen für Lehrer, Eltern und Schüler zu beteiligen. Wir bieten Ihnen an, mit uns gemeinsam nach Wegen zu suchen, Schüler und Eltern sachlich und neutral über Impfungen zu informieren.
Wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung,
Dr. rer. nat. Kay Klapproth
1. Vorsitzender der
Initiative für Demokratie und Aufklärung e.V.
Quellen und Literatur:
1. Impfen an Schulen. Accessed January 2, 2025.
https://www.rhein-neckar-kreis.de/start/landratsamt/impfen+an+schulen.html
2. Bundeszentrale für politische Bildung. Beutelsbacher Konsens. bpb.de. April 7, 2011. Accessed January 2, 2025.
https://www.bpb.de/die-bpb/ueber-uns/auftrag/51310/beutelsbacher-konsens/
3. Klapproth K. Impfpasskontrollen an der Schule – Manipulation statt Aufklärung. Initiative für Demokratie und Aufklärung. November 29, 2024. Accessed January 2, 2025.
https://www.ida-hd.de/impfpasskontrollen-an-der-schule-manipulation-statt-aufklaerung/
4. Juhl Jørgensen K, Auken M, Brinth L, Chandler R, Gøtzsche PC, Jefferson T. Suspicions of possible vaccine harms must be scrutinised openly and independently to ensure confidence. npj Vaccines. 2020;5(1):1-2. doi:10.1038/s41541-020-0202-9
https://www.nature.com/articles/s41541-020-0202-9
5. Zweifel an der Wirksamkeit. January 9, 2020. Accessed January 2, 2025.
https://www.fr.de/wissen/zweifel-wirksamkeit-11606799.html
6. ÄFI_Fakten_zur_HPV-Impfung_Mai_2024.pdf. Accessed January 2, 2025.
https://individuelle-impfentscheidung.de/fileadmin/PDF/%C3%84FI_Fakten_zur_HPV-Impfung_Mai_2024.pdf
7. Projektbericht 2023. Impf Dich. Accessed January 2, 2025.
https://impf-dich.org/de/verein/projektbericht-2023
8. TÖGEL J. Nudging: Zur psychologischen Steuerung in der Corona-Krise. Autumn 2023. Accessed January 2, 2025.
https://multipolar-magazin.de/artikel/nudging-psychologische-steuerung
9. “Impf Dich” Imagefilm. Accessed January 2, 2025.
https://www.youtube.com/watch?v=bYG3MG5DVHo
10. Tarney C, Pagan M, Klaric J, Beltran T, Han J. HPV Vaccination Does Not Provide Herd Immunity for Unvaccinated Women or Cross-Protection for Nonvaccine HPV Types [12]. Obstetrics & Gynecology. 2016;127:4S. doi:10.1097/01.AOG.0000483628.84944.92
https://journals.lww.com/greenjournal/abstract/2016/05001/hpv_vaccination_does_not_provide_herd_immunity_for.12.aspx
11. Impfaufklärung im Klassenzimmer – wieso lohnt sich das, Simon Hennes? AerzteZeitung.de. March 18, 2022. Accessed January 2, 2025.
https://www.aerztezeitung.de/Podcasts/Impfaufklaerung-im-Klassenzimmer-wieso-lohnt-sich-das-Simon-Hennes-427669.html
12. Mehr impfen: EU-Kommission wirbt für höhere Impfquote gegen HPV. AerzteZeitung.de. January 31, 2024. Accessed January 2, 2025.
https://www.aerztezeitung.de/Politik/Mehr-impfen-EU-Kommission-wirbt-fuer-hoehere-Impfquote-gegen-HPV-446696.html