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„Der Schutz vor Infektionen ist nicht immer das Wichtigste!“- Hendrik Streeck in Heidelberg

Auf einer Veranstaltung in Heidelberg fordert der Virologe Hendrik Streeck eine umfassende Aufarbeitung der Pandemie – von politischen Fehlentscheidungen über fragwürdige Medienberichterstattung bis hin zur Rolle der Wissenschaft. Dabei geht es auch um die Frage, wie es zu der gesellschaftlichen Stigmatisierung von Kritikern und so genannten Ungeimpften kommen konnte und warum die Aufarbeitung in Politik und Medien bisher ausgeblieben ist.

Heidelberg, 8.10.24 – Hendrik Streeck ist Mediziner und Direktor des Instituts für Virologie am Universitätsklinikum Bonn. Während der Corona-Krise trat er als gemäßigter Kritiker von staatlichen Maßnahmen und Impfpflicht auf. Mit seinem Buch „Nachbeben“ will er nun einen Beitrag zur Aufarbeitung der Pandemie leisten. Das Deutsch-Amerikanische Institut (DAI) in Heidelberg lud ihn ein, seine Ideen vorzustellen. Vor vollem Haus entwickelte sich ein interessanter und sachlicher Austausch zwischen dem Virologen und dem Publikum.

Laut Hendrik Streeck gab es in Deutschland während der Corona-Jahre ein Spannungsfeld zwischen Politik, Wissenschaft und Öffentlichkeit, das bisher kaum thematisiert worden sei. „In diesem Spannungsfeld besteht die Gefahr des Missbrauchs“, warnte er. Fehlentscheidungen und ihre negativen Konsequenzen seien die Folge und heute nicht mehr zu leugnen. Nur eine konsequente Aufarbeitung könne helfen, bei künftigen Krisen die gleichen Fehler zu vermeiden.

Auf Schäden und Opfer von Entscheidungen und Maßnahmen wurde zu wenig geachtet. Besonders die Auswirkungen der Maßnahmen auf Kinder kritisierte Streeck scharf: „Kinder waren nicht die Treiber der Pandemie, aber die Hauptleidtragenden der Maßnahmen.“ Er verwies darauf, dass die Schulen in Deutschland insgesamt 183 Tage geschlossen waren, was fast einem ganzen Schuljahr entspreche.

Die Politik kann sich nicht hinter der Wissenschaft verstecken. Für jede Meinung gebe es einen Experten. Es gebe nicht ‚die Wissenschaft‘, die uns ein bestimmtes Handeln vorschreibe, so Streeck. Vielmehr müsse die Wissenschaft die Politik beraten, dürfe aber nicht selbst Politik machen.

Wissenschaftler und Journalisten haben falsche Eindrücke vermittelt

Kritisch sieht Streeck auch den Wissenschaftsjournalismus. Journalisten hätten sich zu Studien geäußert und diese bewertet, noch bevor Experten aus den jeweiligen Fachgebieten ihr Urteil abgeben konnten. Besonders problematisch findet er, dass sich einige Wissenschaftsjournalisten für die No-COVID-Strategie eingesetzt hätten, die seiner Meinung nach zu keinem Zeitpunkt fachlich fundiert gewesen sei.

Im weiteren Verlauf des Abends kritisierte Steeck auch die Inzidenzwerte als nicht aussagekräftig und widersprach der Behauptung, dass es während der Pandemie ein exponentielles Wachstum der Infektionszahlen gegeben habe. So etwas gäbe es in der Epidemiologie grundsätzlich nicht.

Die anfängliche Behauptung, Impfungen würden vor Infektionen schützen, war ein offensichtlicher Fehler. Zwar habe es in den ersten Wochen einen mäßigen Schutz gegeben, aber die Vorstellung, dass Geimpfte sich nicht anstecken und andere nicht anstecken könnten, sei von Anfang an ohne Evidenz gewesen. Die Studien zur Entwicklung des Impfstoffs hätten diese Frage nie untersucht.

Während der Krise sei vergessen worden, dass nicht der Mensch, sondern das Virus der Feind sei, so Streeck. Er zieht Parallelen zu historischen Epidemien, bei denen fälschlicherweise bestimmte Bevölkerungsgruppen verantwortlich gemacht wurden – bei der Pest die Juden, bei HIV die Homosexuellen. Auch bei der Corona-Pandemie habe es Stigmatisierungen gegeben, etwa gegen Asiaten oder später gegen Menschen aus Gütersloh und Heinsberg, die für die Verbreitung des Virus verantwortlich gemacht wurden. „Zuletzt waren es die Impfverweigerer“, so Streeck. Eine solche Stigmatisierung sei einer Gesellschaft nicht würdig.

Drei Formen der Aufarbeitung sind nötig

Streeck fordert drei Formen der Aufarbeitung. Erstens eine wissenschaftliche Diskussion: Experten aus verschiedenen Disziplinen sollten zusammenkommen und in einer großen Konferenz Fehler analysieren und Strategien für den künftigen Umgang mit Pandemien diskutieren. Zweitens sieht er die Medien in der Pflicht, sich kritisch mit ihrer Rolle während der Pandemie auseinanderzusetzen – insbesondere damit, wie wenig über unterschiedliche Sichtweisen berichtet wurde. Drittens müsse die Politik ihre Entscheidungsprozesse hinterfragen. Gremien wie die Ministerpräsidentenkonferenz, in denen weitreichende gesamtgesellschaftliche Entscheidungen getroffen wurden, seien in dieser Form nicht legitim.

In der ruhigen und respektvollen Diskussion erntete Streeck vom Publikum überwiegend Zustimmung und Anerkennung für das Aussprechen unbequemer Wahrheiten. Einige Zuhörer wiesen aber auch darauf hin, dass seine Kritik in den Corona-Jahren nicht weit genug gegangen sei und er zu viele Entscheidungen mitgetragen habe, gegen die man hätte entschiedener Stellung beziehen müssen.

Die Impfungen: Von Turbo-Krebs bis Erbgutschäden

Im Verlauf der Veranstaltung wurde schnell deutlich, dass sich vor allem Personen zu Wort meldeten, die sich kritisch mit der Rolle von Wissenschaft, Politik und Medien während der Corona-Krise auseinandersetzten. Ein Teilnehmer bemerkte, dass eine gewisse emotionale Spannung im Raum herrschte, da auch hier sowohl Personen anwesend waren, die der Wissenschaft vertrauten, als auch solche, die sich selbst informierten und recherchierten.

Einige Gäste aus dem Publikum berichteten von eigenen Erfahrungen mit Nebenwirkungen oder von Fällen im Bekanntenkreis, darunter auch Fälle von so genanntem „Turbo-Krebs“. Streeck meinte dazu, er habe zwar auch den subjektiven Eindruck, dass es vermehrt Krebsfälle gebe, ihm seien aber keine Studien bekannt, die eine solche Zunahme oder einen eindeutigen Zusammenhang mit der Impfung belegen könnten.

Auf die Frage, ob es möglich sei, dass mRNA-Impfstoffe in die DNA eingebaut werden könnten, erklärte Streeck, dass dies bisher nur in vitro, also in Zellkulturen, nachgewiesen worden sei. Es gäbe aber keine Studien, die dies bei geimpften Menschen gezeigt hätten. Aus dem Publikum kam der Einwand, dass solche Studien nicht durchgeführt würden, da kein Interesse daran bestehe und es auch keine Finanzierung für Forschung gebe, die der gängigen Meinung über die Wirksamkeit und Sicherheit von Impfungen widerspreche.

Streeck betonte die Bedeutung der Kommunikation sowohl für die Wissenschaft als auch für die Gesellschaft. Er unterstrich, dass er stets den Dialog mit allen Menschen, auch jenen, die als „Querdenker“ bezeichnet werden, gesucht habe und weiterhin suchen werde. Es sei nicht nötig, in jedem Punkt einer Meinung zu sein, aber es sei entscheidend, im Gespräch zu bleiben – ein Fazit, dem wohl jeder im Raum zustimmen konnte.

Kritiker des moderaten Kurses von Streeck führen an, dass seine politische Karriere, insbesondere seine Bundestagskandidatur für die CDU, ihn möglicherweise als zukünftigen Gesundheitsminister positioniere. Inwieweit und in welcher Form eine Aufarbeitung innerhalb der CDU und mit den im Bundestag dominierenden Parteien tatsächlich gelingen kann, scheint auch Streeck noch nicht ganz klar zu sein.

Es fehlt echte Dialogbereitschaft

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der Vortrag und die Diskussion mit Streeck für die kritischen und gut informierten Zuhörer kaum neue Erkenntnisse brachte. Seine Kritik an den Maßnahmen, Impfungen und politischen Entscheidungen der letzten Jahre stieß bei der Mehrheit des Publikums auf offene Ohren. Die von Streeck geäußerten Positionen und seine Kritik wurden aber schon zu Corona-Zeiten von vielen anderen Fachleuten öffentlich vertreten. Sie wurden und werden aber von Kollegen, Medien und Politik weitgehend aus dem öffentlichen Diskurs ausgeschlossen. Ein Vortrag mit derart kritischen Tönen von einem Virologen wäre vor zwei oder drei Jahren auch im DAI und in der breiten Öffentlichkeit undenkbar gewesen, was auch von mehreren Diskussionsteilnehmern angemerkt wurde.

Das DAI lädt in seiner Veranstaltungsreihe „Geist Heidelberg“ Persönlichkeiten wie Harald Lesch oder Mai Thi Nguyen-Kim ein, die sich eher durch die Verbreitung von Fehlinformationen und Diffamierungskampagnen als durch sachliche Aufklärung der Öffentlichkeit hervorgetan haben. Würde man Streecks Forderung nach einer Aufarbeitung der Corona-Zeit ernst nehmen, müssten aber auch Experten wie Prof. Andreas Sönnichsen, Prof. Sucharit Bhakdi, Dr. Gunter Frank oder Dr. Wolfgang Wodarg eingeladen werden. Ein echter Dialog, wie ihn Streeck fordert, kann nur gelingen, wenn auch diese kritischen Stimmen wieder in den öffentlichen Diskurs eingebunden werden.

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