Am vergangenen Wochenende fand in Heidelberg ein Bürgerdialog auf der Klimameile statt. Auch IDA-Stadtrat Dr. Gunter Frank nahm daran teil, obwohl die Initiatoren überlegten, ihn auszuladen, nachdem er im Vorfeld einige kritische Fragen gestellt hatte. Auch wenn es für manche Organisatoren und manche Teilnehmer offensichtlich ungewohnt war: Spannend wird eine Diskussion erst, wenn unterschiedliche Meinungen zu hören sind. Dieser gelungene Bürgerdialog hat dies eindrucksvoll bewiesen.
Heidelberg, 29.10.2024. Um auf das Thema Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel aufmerksam zu machen, organisierten die Vereine „Europeans for Climate“ und „Urban Innovation“ eine sogenannte Klimameile in der Heidelberg. Vom 14. September bis 6. Oktober 2024 fanden in der Heidelberger Innenstadt verschiedene Veranstaltungen zu den Themen Klimawandel, Naturschutz und nachhaltiger Konsum statt, darunter kulturelle Beiträge, Konzerte, Workshops, aber auch öffentliche Diskussionsveranstaltungen.
Auf einer abgesperrten Straße hinter dem Kaufhaus Galeria fand am vergangenen Sonntag ein Bürgerdialog statt, zu dem auch alle Heidelberger Gemeinderäte – mit Ausnahme der AfD – eingeladen waren. Dass der Heidelberger Stadtrat und Arzt Dr. Gunter Frank im Vorfeld kritische Fragen zum postulierten Zusammenhang zwischen Ernährung und Klimawandel gestellt hatte, sorgte bei den Initiatoren der Klimameile offenbar für Unruhe. Zu einer im Raum stehenden Ausladung des Mediziners kam es jedoch nicht.
Ab 17:00 Uhr sprachen zunächst Vertreter des Heidelberger Ernährungsrates und des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (IFEU) über klimafreundliche Ernährung. Sie gaben den zahlreichen Besuchern des Bürgerdialogs einen Überblick über die Hintergründe einer klimafreundlichen Ernährung, über bisherige Ansätze und Möglichkeiten, aber auch über die Schwierigkeiten, klimaschädliche Produkte zu erkennen.
Schlechtes Essen für Kinder und Alte
Anschließend hatten die Bürger Gelegenheit, Fragen zu stellen und zu diskutieren. Und diese Gelegenheit wurde intensiv genutzt. Dabei zeigte sich, dass die Meinungen des Publikums zu den Themen Nachhaltigkeit, Ernährung und menschengemachter Klimawandel durchaus geteilt waren. Tatsächlich gab es neben Fragen an die Experten, wie denn zum Beispiel eine „klimabewußte“ Ernährung in der Praxis umsetzbar sei, auch durchaus kritische Töne.
Dr. Gunter Frank, der selbst mehrere Bücher zum Thema Ernährung publiziert hat, lobte ausdrücklich das Engagement der Organisatoren und der eingeladenen Experten, sich in Heidelberg für eine bessere Ernährung einzusetzen. Er wies aber auch darauf hin, dass deren Vorstellungen von gesunder Ernährung aus physiologischer Sicht durchaus umstritten sind und die Studienlage bei weitem nicht so eindeutig ist, wie in der Öffentlichkeit immer wieder gerne behauptet wird. Frank sieht hingegen massive Defizite bei der Ernährung für Kinder in Schulen und Kindergärten oder ältere Menschen in Pflegeeinrichtungen, die dringend verbessert werden müsste.
Frank warnte auch davor, dass die Verknüpfung von einem postulierten anthropogenem Klimawandel und unserer Ernährung Ängste beim Menschen auslösen könne. Das Krankheitsbild der Orthorexia nervosa, also der krankhaften Angst vor ungesundem Essen, sei bereits weit verbreitet. Es bestehe die Gefahr, dass sich zusätzlich eine Angst vor klimaschädlichem Essen entwickle.
Was ist „wissenschafltlich“?
Im Anschluss entwickelte sich eine lebhafte und kontroverse Diskussion zu verschiedenen Fragen, was eigentlich gute und gesunde Ernährung ausmacht und ob die ständige Dominanz von Gesundheitsfragen oder Klimaschutz nicht auch zu Verunsicherungen und Ängsten führen kann, insbesondere bei Kindern, die in der Schule massiv mit diesen Themen konfrontiert werden. Eine Lehrerin berichtete, sie erlebe in der Schule auch bei jüngeren Kindern ausgeprägte Zukunftsängste, die stark von Vorstellungen einer drohenden Klimakatastrophe dominiert würden. Vor diesem Hintergrund warnten einige Dialogteilnehmer davor, Ängste zu schüren, um Menschen von einem vermeintlich „richtigen“ Lebensstil zu überzeugen.
Dem wurde von Organisatoren und anderen Teilnehmer entgegengehalten, es gehe nicht darum, Ängste zu erzeugen, sonder zu informieren. Dabei stütze man sich ja auf die Wissenschaft. Es wurde allerding von anderen wiederum die Frage aufgeworfen, was eigentlich wirklich wissenschaftlich gesichert sei und welche Rolle die Wissenschaft in gesellschaftlichen Debatten spielen könne, da auch „die Wissenschaft“ sich in vielen Fragen nicht einig sei.
Einige Teilnehmer wiesen darauf hin, dass der anthropogene Klimawandel von 99 Prozent der Wissenschaftler als Tatsache anerkannt werde und Zweifel daran nicht nur unangebracht, sondern sogar gefährlich seien. Sie forderten daher, die Diskussion nicht weiter zu führen. Diese Auffassung wurde von anderen Dialogteilnehmern nicht geteilt. Sie argumentierten, dass die Unabhängigkeit der Wissenschaftler in vielen Fällen in Frage gestellt sei und dass Zweifel und Diskussion die Grundlage seriöser Wissenschaft bleiben müssten.
Nach rund zwei Stunden ging der intensive und sachliche Austausch zu Ende. Für einige Teilnehmer und wohl auch für die Organisatoren der Klimameile war die engagierte Beteiligung so vieler Bürger offensichtlich ungewohnt. Es wurde aber deutlich, dass es in der Bevölkerung sehr unterschiedliche Meinungen zu drängenden gesellschaftlichen und politischen Themen gibt, die gehört und ernst genommen werden müssen. Es wäre wünschenswert, wenn dieser offene Austausch, wie er beim Bürgerdialog auf der Klimameile stattgefunden hat, Schule machen würde.