Am Donnerstag tagte im Sächsischen Landtag in Dresden der Corona-Untersuchungsausschuss. Als Sachverständiger geladen und mit Spannung erwartet wurde bereits am Vormittag Prof. Hendrik Streeck. IDA war vor Ort und verfolgte die mehr als dreistündige Befragung.
von Annett Haas
Die meistgehörte Antwort Herrn Streecks auf die Fragen, die vornehmlich von AfD und BSW gestellt wurden, war „Das kann ich nicht beantworten“ – abwechselnd mit dem Zusatz „weil ich die (damaligen) Gegebenheiten in Sachsen nicht kenne“ oder „weil die Frage zu allgemein gestellt wurde“, „weil ich dazu vorher in meine Mails / meinen Kalender schauen müßte“ oder „weil ich hier als Bürger antworten müßte, aber als Sachverständiger bestellt bin.“
Keine Aussagen dazu, ob Herr Streeck der Meinung ist, daß die Schulschließungen (die in Sachsen immerhin kürzer waren als in anderen Ländern) angemessen waren oder ob ein harter Lockdown zu einem Zeitpunkt, als die Höchstwerte an Infektionen bereits überschritten war, erforderlich und erfolgreich war. Ob er die Maßnahmen rückblickend angebracht fand. Dafür die Betonung, daß man Long Covid intensiver untersuchen müsse.
Seine Heinsberg-Studie war Grundlage für viele Fragen, aber auch hier keine befriedigenden Antworten dazu, daß schon diese zum Ergebnis hatte, daß die Infektionssterblichkeit mit einem Wert zwischen 0,2 und 0,7 sehr gering sei. Dass die dort gezählten Todesfälle nicht zwangsläufig obduziert wurden, um als „an Corona gestorben“ gezählt zu werden, sondern dies anhand des Totenscheins übernommen wurde. Wenigstens aber an diese Stelle ein Verweis auf die Studie von Ioannidis, der in Bezug auf die Sterberate bei Corona zu einem ähnlichen Ergebnis kam.
Streeck wünscht sich ein unabhängiges RKI
Interessant immerhin, daß Hendrik Streeck sich aus heutiger Sicht ein RKI und PEI wünscht, welche politisch unabhängig, übergeordnet und weisungsunabhängig arbeiten, die die Einschätzungen und Empfehlungen unter Beteiligung verschiedener Professionen und Experten, die nicht aufgrund ihrer Meinung ausgewählt werden, bundesweit koordinieren und nicht Entscheidungen der Landesebene überlassen.
Nachdem hierzu vermehrt Nachfragen auftauchen, betont Streeck aber wiederholt, daß er kein RKI-Bashing betreiben wolle und diesem kein Vorwurf gemacht werden könne, denn es habe seine Arbeit entsprechend seiner Möglichkeiten bestens erledigt.
Und interessant auch, daß Herr Streeck heute bestätigt, daß es keinerlei Gründe gegeben habe, Einschränkungen im Freien zu verhängen, weil im Freien praktisch kein Ansteckungsrisiko bestanden habe. Dass der Lockdown mit dem Zusammenleben auf engstem Raum, geschlossenen Schulen, psychischen Ausnahmezuständen besonders bei ärmeren, schlechter situierten Familien, die Ansteckungen in die Höhe getrieben haben, da diese sich nicht so gut aus dem Weg gehen konnten wie die Bewohner der Villenviertel.
Kein Impfschutz unter Omikron-Variante
Zur Frage nach der Schutzwirkung durch COVID-19-Impfstoffe erkärte Herr Streeck, dass ihm keine Studie bekannt sei, die einen Fremdschutz durch Impfung bei der Omikron-Variante nachweise. Er sehe auch keine Belege dafür, dass die Impfung vor schweren Verläufen der Omikron-Infektion schütze.
Zur Erinnerung: Die Omikron-Variante wurde in Deutschland ab Januar 2022 dominant. Die Impfnachweispflicht in Gesundheitsberufen trat jedoch erst im März 2022 in Kraft – zu einem Zeitpunkt also, als es laut Streeck weder Belege für einen Fremdschutz durch Impfungen noch Studien gab, die einen Schutz vor schweren Verläufen zeigten. Noch im April 2022 erklärte das Bundesverfassungsgericht die Impfnachweispflicht dennoch für verfassungskonform – gestützt auf die Einschätzungen des RKI und mehrerer Fachgesellschaften.
PCR-Test nicht aussagekräftig
Viele Fragen gab es zu PCR-Tests und CT-Werten, bei denen Hendrik Streeck betont, daß Rachenabstriche bei weitem nicht so aussagekräftig seien wie Bluttests, da man bei Bluttests das Ergebnis in einen Bezug zur entnommenen Menge setzen kann, was bei einem Abstrich, der immer mengenmäßig unterschiedlich ausfällt, nicht möglich sei, so daß das Ergebnis nicht unbedingt aussagekräftig sei.
Leider haben die befragenden Parteien ihre Möglichkeiten nicht voll genutzt und in insgesamt 3 Befragungsrunden mit ausgiebiger Fragezeit nicht nachgehakt, wie dann Abstrichergebnisse, CT-Werte etc. als Grundlage dienen konnten für Lockdowns, Quarantäne, Berufsverbote. Welche Bedeutung die psychischen Folgen, die zweifelsohne Kinder, Alte, eigentlich so gut wie jeden betreffen, für die rückblickende Einschätzung der Maßnahmen haben. Was man bei der nächsten Krise ganz sicher wieder so oder keinesfalls wieder tun würde.
Kritisch, aber sehr vorsichtig
Wozu Herr Streeck sich klar äußerte, war unser aktuelles Gesundheitssystem, das komplett marode sei und von Grund auf erneuert gehöre, ganz unabhängig von Corona. Insgesamt entstand jedoch der Eindruck, daß Hendrik Streeck, wie auch in den „Corona-Jahren“, an manchen Stellen Kritik äußerte, aber nie so weitgreifend, daß es Konsequenzen für ihn persönlich haben könnte.
Dass Streeck sein vorsichtig kritischer Ansatz bisher nicht geschadet hat, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass er als gewählter Abgeordneter künftig gemeinsam mit Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn der CDU-Fraktion angehören wird. Unbequeme Wahrheiten oder eine radikale Corona-Aufarbeitung sind von Streeck wohl eher nicht zu erwarten.
Wir hätten uns gewünscht, daß er, bestellt als Sachverständiger für den Untersuchungsausschuß in Sachsen, sich auch auf die sächsischen Verhältnisse ein wenig vorbereitet hätte. Daß er – da er wohl in den letzten 5 Jahren vermehrt in Dresden zu tun hatte -nach eigener Aussage waren seine Besuche in Dresden nach Berlin die häufigsten -auch zu seinen Einsätzen und Einsatzzeiten hier etwas hätte sagen können.
Zusammenfassend muß man leider feststellen, daß die Hoffnungen, Licht ins Corona-Dunkel zu bringen, enttäuscht wurden. Falls man sich überhaupt Aufklärung erhofft hatte.